Porphyrios

Tierethik & Veganismus · April 19, 2021

Das Zitat

Wie ist es […] nicht unvernünftig, wenn man doch sieht, daß viele unter den Menschen nur auf der Höhe von Sinneswahrnehmung leben, Geist und Verstand aber gar nicht haben, und noch einmal viele an Rohheit, Gefühlsausbrüchen und Habgier sogar die schrecklichsten unter den Tieren übertreffen, Menschen, die ihre Kinder oder Väter töten, Gewaltherrscher und Knechte von Königen -: daß man […] meint, im Verhältnis zu denen hätten wir auf Gesetzesgehorsam zu achten, dagegen im Verhältnis zum Rind, das uns den Pflug zieht, zum Hund, der mit uns aufwächst, zu den Haustieren, die uns mit ihrer Milch nähren, ihrer Schur ausstatten, gäbe es dergleichen nicht - wie ist das nicht ganz und gar widersinnig?

Porphyrios (232/234 n. Chr. - 301/305)

Erläuterungen

  • Nur auf der Höhe von Sinneswahrnehmung: Porphyrios griff hier bereits in der Antike auf das sogenannte Argument der „menschlichen Grenzfälle“ zurück, das heute zu den bekanntesten Argumenten der Tierethik gehört. Der Kern des Arguments ist, dass sich keine ethisch relevante Eigenschaft benennen lässt, die Tiere von Menschen trennt. Die häufig herangezogene Vernunftfähigkeit liegt nicht bei allen Menschen vor, aber Menschen, denen diese Eigenschaft fehlt, haben dennoch Rechte.

  • Rohheit, Gefühlsausbrüchen usw.: Porphyrios wirft hier die Frage auf, warum Tiere, die uns nichts tun, uns helfen oder unser Überleben erst ermöglichen, keine Rechte haben sollen, während sogar die größten Scheusale, Schwerverbrecher usw. in den Genuss dieser kommen.

  • Gesetzesgehorsam: Gemeint ist hier, dass selbst Schwerverbrecher etc. ein Teil der Rechtsgemeinschaft sind (und die Tiere nicht).

Porphyrios war ein antiker Philosoph, zu dessen umfassendem Gesamtwerk auch eine Schrift gehört, die sich explizit für Tierrechte und für den Vegetarismus ausspricht: “De abstinentia” („Darüber dass man kein Fleisch essen soll“). Er versuchte in diesem Werk herauszuarbeiten, dass es keinen fundamentalen Unterschied zwischen Mensch und Tier gibt, dass wir also mit ihnen verwandt sind. Er schlussfolgert daraus, dass wir Tiere auch nicht grundsätzlich anders als Menschen behandeln sollten. Dort, wo es uns aus Notwehr auch bei Menschen gestattet ist, Gewalt anzuwenden, ist es auch bei Tieren vertretbar – aber in allen anderen Kontexten sollten wir ihnen friedlich und freundlich begegnen, ihnen also keine Gewalt antun und sie auch nicht töten. “De abstinentia” stellt insofern einen der frühesten Tierrechts-Texte in der Geschichte der Menschheit dar und spricht sich für einen ethisch begründeten Vegetarismus aus.

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